Description
Alleine in Porto
Lili sagte mir, ich müsse unbedingt mal nach Portugal, den Duoro entlang bis zur Atlantikküste. Toll wäre das, wunderschön, unbeschreiblich und dann auch noch die Atlantikküste. Am besten nehme man sich einen Van – am besten einen VW Bulli, T2, T3, T4, T5. Da wäre ich dann komplett frei, totale Freiheit in Portugal. Ich hasse Campen im Bulli oder Van, darum bin ich einfach direkt nach Lissabon geflogen und habe die Bahn nach Porto genommen. Der Plan war, dass ich in Porto dann Paul treffen würde, denn der liebt die Freiheit und konnte es sich nicht nehmen lassen den Van zu nehmen. Das Wetter in Nordportugal an der Mündung des fabelhaften Douro ist scheiße. Es regnet am laufenden Band und ich sitze seit fünf Tagen alleine hier und versuche die Zeit umzubekommen. Paul hatte nämlich auf etwa halber Strecke irgendwo im Burgund einen Platten.
Ich hatte Paul eigentlich versprochen, nicht ins Kunstmuseum zu gehen, das ist sein Spezialgebiet und er liebt es während des gesamten Besuchs zu erklären: Richard Serra hier – Dan Graham da. Ich habe keine Lust darauf und beschließe am sechsten Tag einfach alleine zu gehen, ins Serralves. Das Regenwetter nervt mich. Also gehe ich genervt ins Museum. Nach einer Stunde bin ich durch und setze mich ins Museumscafé, das Casa de Chá de Serralves. Ich trinke einen Latte und esse ein Gebäck. Als ich aufstehen möchte, bemerke ich eine Frau, die bestimmten Schrittes auf mich zukommt. Sie setzt sich auf den Platz gegenüber – ich bin ziemlich perplex und finde keine Worte – sie mustert mich und blickt mir dann direkt in die Augen.
„És amigo do Paulo Soldado?“
Paulo? Amigo? Ich verstehe die Welt nicht mehr und ihr Pagen-Schnitt zusammen mit den blauen Augen geben mir einen kurzen Schauer.
„Paulo? Sorry, I don‘t understand.“
„Paulo – Paul Soldado, is he your friend? My name is Charline and I must know if you are the friend of Paulo. If you are: Call him now and tell him that you are together with Charline.“
Ihrem Englisch kann ich einen französischen Akzent entnehmen, den ich auf Portugisisch noch nicht so wahrgenommen habe. Ich fange an zu zittern, das mache ich immer, wenn ich nervös werde. Erst zittere ich, dann fangen meine Gedanken an sich selbstständig zu machen. Paul – Burgund – Porto – Freiheit – Platten. Ihr Name sei Charline.